Sexueller Mißbrauch von Kindern


Der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern (Kindesmißbrauch) findet sich in § 176 StGB. Die Qualifikationen, der schwere sexuelle Mißbrauch von Kindern und der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern mit Todesfolge, finden sich in den §§ 176 a und 176 b StGB. Geschützt ist die freie und selbstbestimmte sexuelle Entwicklung der Kinder unbeeinträchtigt durch sexuelle Handlungen von Mißbrauchstätern.

Der Tatbestand des § 176 I StGB setzt voraus, dass jemand sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen läßt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. Bezeichnend ist, dass viele meiner Mandanten, die wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt oder gar bereits angeklagt sind, der Ansicht sind, dass beispielweise die Berührungen oder das "Streicheln" dem Kind doch gefallen hatten und sie sich daher nicht strafbar gemacht haben konnten. Das ist ein Irrglaube, denn eine Einwilligung des Kindes in diese sexuellen Handlungen ist nicht möglich. Der Täter erfüllt den Tatbestand dennoch. Der Tatbestand ist auch verwirklicht, wenn Mißbrauch am schlafenden Kind durchgeführt wird.

Der Tatbestand des § 176 II StGB setzt voraus, dass jemand ein Kind dazu bestimmt, daß es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen läßt. Wer dabei denkt, dass da unbedingt Gewalt im Spiel sein muß, irrt. Die pure Verursachung der sexuellen Handlungen - etwa als Folge der durch den Täter herbeigeführten Neugier des Kindes - reicht aus.

In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen, sagt Absatz III.

Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt, 2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach Absatz 1 oder Absatz 2 mit Strafe bedroht ist, 3. auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll, oder 4. auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt. Die Nummer 1 ist beispielsweise auch dann erfüllt, wenn der Täter seine sexuellen Handlungen filmt und diese Filmsequenzen dem Kind via Internet "zeigt". Dem Täter muss es darauf ankommen, dass das Kind diese sieht. Die Nummer 2 findet ihren Anwendungsbereich vor allem in der Produktion kinderpornografischer Filme oder Fotografien. Dass das Kind dabei nicht an Sexualität denkt oder sich dessen nicht bewusst ist, hindert die Tatbestandsmäßigkeit nicht. Die Nummer 3 findet ihren Anwendungsbereich auch darin, wenn Täter mit Kindern im Internet chatten, um diese zu einem Treffen zu überreden. Nummer 4 ähnelt Nummer 3 ein wenig.

Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach den Absätzen I bis IV anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet. Zu diesem Absatz braucht man nicht viel zu erklären, er erklärt sich selbst.

Die Missbrauchstaten spielen sich in der Realität meist "unter 4 Augen" ab, es gibt meist keine Zeugen. Bei dieser Konstellation "Aussage gegen Aussage" werden oft in einem  frühen Stadium - nämlich im Ermittlungsverfahren - von der Staatsanwaltschaft sog. "Glaubwürdigkeitsgutachten"/aussagepsychologische Sachverständigengutachten - zur Frage der Glaubhaftigkeit der zumeist noch kindlichen Zeugen - an externe Gutachter, - meist forensische Psychologen - , in Auftrag gegeben. Wenn das Gutachten zu dem Schluß kommt, dass an den Vorwürfen nichts dran ist, wird das Ermittlungsverfahren meist eingestellt, andernfalls wird die Sache angeklagt. Das Gericht muss sich dann bei weiterem Bestreiten des Angeklagten darüber ein Bild machen, ob es den kindlichen Zeugen glaubt und auch dem Gutachten folgt, oder es dennoch zu erheblichen Zweifeln neigt. Die sog. Aussagekonstanz der Zeugen bei den "Stationen" Polizei, Vernehmung durch Staatsanwaltschaft, Exploration beim Gutachter und schließlich Zeugenaussage vor Gericht ist dabei ein wichtiges Kriterium für das Gericht, um die Glaubwürdigkeit der Zeugen, - mögen sie jetzt noch Kinder, Jugendliche oder bereits erwachsene Zeugen sein -, zu beurteilen. Mehrheitlich inkonstante Aussagen müssen insbesondere bei mehreren angeklagten Taten nicht unbedingt zum Freispruch insgesamt führen; das Gericht kann dabei immer noch zu der Überzeugung gelangen, dass jedenfalls das Kerngeschehen so wie die Zeugen es ausgesagt haben, sich abgespielt hat und dementsprechend zu einer (Teil-) Verurteilung gelangen. Für den Strafverteidiger sind Strafsachen wegen sexuellen Missbrauchs oft nicht leicht zu bearbeiten und zu "handlen", weil nicht nur der Mandant, der Angeklagte, der sein soziales "Aus" und eine empfindliche Freiheitsstrafe fürchtet, anwaltlich gut betreut werden muß, sondern auch die Zeugenbefragung meist noch sehr kindlicher Zeugen in der Verhandlung selbst gutes Fingerspitzengefühl bei der Befragung erfordert, denn Kinder kann man nicht auf dieselbe Art und Weise befragen wie Erwachsene. Auch hat man es auf der "Gegenseite" meist nicht nur mit dem Staatsanwalt zu tun, sondern auch mit Kollegen, die die Nebenklage der Opfer vertreten.